Im Oktober:
Kleider-/Garderobenschrank
Um 1880. Gründerzeit. Aufbruchstimmung. Auch in der Möbelbranche. Die aufstrebende Mittelschicht im Kaiserreich lebte in Wohnungen mit nicht selten 5 bis 7 Zimmern. Die wollten natürlich bestückt werden. Eine Tischlerei hätte dafür – je nach Größe des Betriebes – in Handarbeit wohl mehrere Monate, vielleicht sogar Jahre, gebraucht. Maschinen beschleunigten den Prozess erheblich und die Massenproduktion konnte beginnen. Es gab Möbelkataloge, Einrichtungszeitschriften und auch kleine Tischlereien begannen mit der „Vorratsproduktion“, d.h. es wurde nicht mehr ein Möbelstück für einen Kunden gefertigt, sondern mit Hilfe von verschiedensten Maschinen ein Möbeltyp für einen anonymen Kundenkreis gebaut und auf Lager gelegt. Teils wurden sogar einzelne Teile eines Möbels – bspw. die Füße oder auch Verzierungen – in anderen Werkstätten oder Fabriken gefertigt und zugekauft. Die „moderne“ Produktion begann und viel mehr Menschen als früher konnten sich nun Möbel leisten. Denn die Massenproduktion machte Schränke, Kommoden und Tische wesentlich erschwinglicher.
Kleiner Exkurs: den ersten Möbelkatalog im deutschsprachigen Raum gab es schon 1789. Friedrich Gottlob Hoffmann aus Leipzig war nicht nur Kunsttischler, sondern auch gewiefter Geschäftsmann. Er baute schon damals Multifunktionsmöbel (z.B. eine Kommode, die WC und Bidet enthielt, der man das aber von außen nicht ansah) und wollte seine Produkte einem größeren Publikum vorstellen. Aus seinem Katalog konnte man anhand von Nummern die einzelnen Möbel bestellen. Auch Goethe machte davon Gebrauch und erwarb einen Nachttisch.
Unsere Antiquität des Monats entstand wohl gegen Ende des 19. Jahrhunderts und weist mit den floralen Schnitzereien auf den Türen unmissverständlich Richtung Jugendstil. Der Weichholzkorpus wurde mit Mahagoni- und Wurzelfurnier schick gemacht und passte somit glänzend in den Eingangsbereich eines gutbürgerlichen Haushalts. Heute passt er überall hin, denn er ist multifunktional einzusetzen und ist nun – obwohl damals wahrscheinlich mehrfach gefertigt – ein Einzelstück, dass in jedem Raum zum Blickfang wird.